christoph tannert - ulrich polster, neue arbeiten (2012) /text
ulrich polster / neue arbeiten (2012) /von christoph tannert
Ulrich Polster ist ein Künstler, der keine Gefälligkeiten produziert. Seine Videoprojektionen eignen sich nicht als dekorative Klangtapete, sondern wollen vom Betrachter durchdrungen werden, was durchaus einer mühevollen Erarbeitung gleichkommen kann.
Das trifft auch auf seine neuesten Werke zu, von denen er die 3-Kanal-Video-Projektion “Shaoxing Lu” und die 1-Kanal-Video-Projektion “Auslöschung” in der Galerie zur Aufführung bringt.
Was für Szenen: gewohnt rätselhaft, dunkel glühend, dramatisch bewegt, so scheinbar voller Leben. Und doch sind es nur Tänze, die auf die Endlichkeit unseres Seins verweisen.
Polsters Werke können schwer als Ganzes erfasst werden. Man muss in sie eintauchen, um die Spezifik ihrer Elemente zu erkennen. Erst nachdem der Betrachter sich von sämtlichen visuellen und klanglichen Strudeln hat fortreißen lassen, die Totale quasi erschwommen hat, tritt Klarheit ein. Deshalb konzipiert Ulrich Polster seine Werke als multimediales Bild-Klang-Raumerlebnis. Er denkt dabei malerisch, während seine Ohren den Rauschzustand der eigenen Gedanken und Fantasien belauschen.
Polsters Werke werden durchglüht von erdiger Expressivität und wagnerianischer Opulenz. Er legt einen großflächigen, ungemein intensiven Teppich von Bildern, Strukturen und Sounds aus. Erzählerische oder melodische Bögen finden sich kaum,eher geht es um Bildkonglomerate, Klangmontagen und pointierte Imaginationsräume. Die Sounds untermalen das Bildgeschehen, treiben es voran, dramatisieren die visuelle Ebene. Ständig geschieht Unerwartetes, mit der er die Konventionen pulverisiert. Langsamkeit ist das alles verbindende Element, jedes Werk ein konsistenter Longtrack, der in seiner Dissonanz und metrischen Extravaganz an den Geist der Band Godspeed You! Black Emperor erinnert und an die Bissigkeit des Österreichers Thomas Bernhard.
“Shaoxing Lu” entfaltet sich als ein psychedelisch verhangener Moment zwischen Tag und Nacht. Über ritualisierte Abläufe hat Ulrich Polster ein Intervall der Ruhe im Zwielicht herausgearbeitet.
“Auslöschung” animiert einen Bilderfluss im Kopf des Betrachters, der durch den verwendeten Song von Bonnie Prince Billy zusätzlich melancholisch aufgeladen wird: “It’s time to be clear, got news of his passing …”
Christoph Tannert ist Kurator und Kunsthistoriker und lebt und arbeitet in Berlin