absence - hajo schiff /besprechung

ulrich polster - absence - vorbild fremdbild lichtbild und narziss /von hajo schiff

Der Berliner Künstler Ulrich Polster zeigt in seiner fünften Einzelausstellung in der Galerie Jocelyn Wolff bewegte und inszenierte Bilder, die sein Italienerlebnis spiegeln. Zu Gast im Refugium der deutschen Romantiker in Olevano Romano wurde ihm die klassische Landschaft und Kunst durch den Tod seiner Mutter im fernen, heimatlichen Sachsen zu einer durchaus ambivalenten und stark gebrochen Erfahrung, in der sich Schönheit und Trauer begegnen. Zwischen meditativer Filmprojektion und interaktiver Photoerweiterung bis zu existenziellen Bildmarken in Doppelprojektion werden Bilderfahrungen befragt und erweitert.

Im Spiegel des Selbst auf die vorgefundene Welt mischen sich mediale und individuelle Bilder und finden zudem in einer – auf wunderbare Weise redenden – Lichtinstallation ihre metaphysische Aufhebung.

Ulrich Polster erzeugt Ambivalenz und Mehrfachbedeutung indem er das ganze Spektrum der Medien dekonstruiert. Er generiert Zwischenräume, in denen die Betrachter das Material mit weiterführenden Gedanken, mit ihrem eigenen Kopfkino auffüllen können. Er ergänzt die Einzelfotos durch I-Pads mit Filmausschnitten, die das im Bild auf den Punkt verdichtete Erleben im Besonderen und im Allgemeinen weitererzählen. In der großen Filmprojektion aber entschleunigt er die Erwartungen an Aktion oder assoziatives Weiterdenken durch eine einzige Festeinstellung, den Blick auf das Tal bei Olevano Romano, in dem nur ruhig die Wolken ziehen. Dagegen zwingt eine Doppelprojektion die Betrachter zum physischen und intellektuellen Stellungswechsel zwischen Lebenserwartung und Todesgebundenheit.

Alle Wahrnehmung ist kulturell verankert und subjektiv überformt. In Ulrich Polsters „Bildskizzen“ verschieben der Bezug auf die Selbstbespiegelung des Narciss (im Zitat des Gemäldes von Caravaggio) und literarische Texte die Referenzen, bestimmen mit, ob ein Bild sich zu einer lebendigen Möglichkeit öffnet oder mit einer abgeschlossenen Erinnerung ers- tirbt. Es ist wie bei dem Relief des ährenschneidenden sozialistischen Bauern: ist der auf dem Friedhof dargestellt, wird er durch den anderen Kontext zum “Schnitter Tod”.

Hajo Schiff © 2019